Wohneigentum hat viele Vorteile: Man wohnt in seinen eigenen vier Wänden, es kann einem nicht gekündigt werden, und man kann den Wohnraum nach seinen Präferenzen frei gestalten. Gerade in der heutigen Zeit, die durch ein historisch tiefes Zinsniveau geprägt ist, profitieren im Vergleich zu Mietern zudem viele Wohneigentümer von signifikant tieferen Wohnkosten. Entsprechend gross ist der Wunsch nach Wohneigentum, was sich auch immer wieder in politischen Vorstössen manifestiert. Wohneigentum bleibt jedoch für die Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer ein Traum. Die Wohneigentumsquote beträgt hierzulande gerade einmal 36,4 Prozent (Stand 2019 gemäss BFS), was im internationalen Vergleich einen niedrigen Wert darstellt. Ein Grund dafür ist der Umstand, dass viele Haushalte nicht über die finanziellen Mittel verfügen, um die Tragbarkeit und die benötigten 20 Prozent Eigenmittel für den Kauf einer Immobilie zu garantieren. In diesem Zusammenhang sind auch die im Vergleich zum Ausland hohen Immobilienpreise in der Schweiz zu nennen.
Die Bedürfnisse ändern sich
Wohneigentum kann aber auch eine Last darstellen. Die Vorteile des Eigenheims müssen über die verschiedenen Lebensabschnitte hinweg differenziert betrachtet werden. Mit einer über die Jahre schwankenden Haushaltsgrösse und dem sich damit ändernden Raumbedarf, mit unterschiedlichen Bedürfnissen in Bezug auf die Wohnumgebung, den im Alter abnehmenden Kräften für den Unterhalt eines Hauses – um nur einige Aspekte zu nennen – macht es mehr Sinn, eine bestimmte Immobilie nur während eines bestimmten Lebensabschnitts zu besitzen. Genau dort setzt Wohneigentum auf Zeit an.
Wohneigentum auf Zeit
Die neue Eigentumsform ermöglicht Eigentümern eine völlig neue Art des Wohnens. Wie es der Name schon sagt, ist das Eigentum auf eine im Voraus festgelegte Zeitdauer – in der Regel 30 Jahre – beschränkt, die aus familiären oder anderen mit dem Lebenszyklus verbundenen Umständen meistens auch der effektiv notwendigen Nutzungsdauer der Immobilie entspricht. Bei Wohneigentum auf Zeit sind zwei Parteien involviert: der Investor und der Wohneigentümer auf Zeit. Dabei kauft der Investor eine Immobilie, saniert sie falls nötig und verkauft die einzelnen Wohneinheiten an die Eigentümer auf Zeit. Da das Wohneigentum zeitlich begrenzt ist, zahlt der Käufer bei Kaufabschluss nur den Preis für diese begrenzte Zeit. Das Wohneigentum wird wie beim traditionellen Eigentum im Grundbuch eingetragen. Der Käufer hat während der festgelegten Zeitperiode somit das umfassende Eigentumsrecht. Nach Ablauf der festgelegten Zeitspanne geht das Wohnobjekt wieder in den Besitz des Investors zurück.
Geht man bei der Immobilie von einer Lebensdauer von 100 Jahren aus, reduzieren sich die Anschaffungskosten für eine Wohnung oder ein Haus um 70 Prozent gegenüber dem traditionellen Eigentum, da der Wohneigentümer auf Zeit nur für die Laufzeit des Eigentums bezahlt – also 30 Prozent. Dadurch sinken auch die Hypothekarkosten. Im Vergleich zur Miete fallen die Wohnkosten für Wohneigentum auf Zeit um rund 15 Prozent tiefer aus. Da die fehlenden Eigenmittel oft eine Hürde beim Erwerb von Eigentum darstellen, können dank dieser Lösung viel mehr Menschen ihre eigenen vier Wände erwerben. Dabei ist insbesondere zu beachten, dass die Eigentumsform Wohneigentum auf Zeit im Gegensatz zu anderen neu vorgeschlagenen Wohneigentumsformen keine zusätzlichen Gesetze erfordert, also auf Basis der bestehenden Gesetzgebung umgesetzt werden kann.
Das Interesse ist vorhanden
Eine im Zusammenhang mit dem Forschungsprojekt zum Thema durchgeführte Marktakzeptanzstudie der Hochschule Luzern hat klare empirische Evidenz für das Interesse an Wohneigentum auf Zeit erbracht. Sowohl Wohneigentümer, aber in noch stärkerem Ausmass auch Mieter interessieren sich für Wohneigentum auf Zeit. Gerade junge Haushalte, die über das notwendige Einkommen, jedoch nicht über genug Eigenkapital verfügen und sich im Prozess der Familiengründung befinden, als auch Haushalte mit Personen über 50, denen das Haus bzw. die Wohnung nach dem Auszug der Kinder zu gross geworden ist, haben besonders grosses Interesse an Wohneigentum auf Zeit gezeigt.
In Bern gibt es eine Immobilie mit 42 Wohnungen, die seit 2004 sehr erfolgreich Wohneigentum auf Zeit ermöglicht. Weitere Objekte sind in Planung, darunter auch Projekte gemeinnütziger Wohnbauträger. Wohneigentum auf Zeit entspricht einem aktuellen Bedürfnis: Man will sich nicht mehr auf unabsehbare Dauer an Wohneigentum binden, sondern Ressourcen sinnvoll und auf die Bedürfnisse der einzelnen Lebensphasen abgestimmt nutzen. Auch die Umwelt profitiert davon, weil der Investor in alleiniger Verantwortung über die Sanierung entscheidet und nicht – wie beim Stockwerkeigentum – die Zustimmung aller Parteien notwendig ist. So kann z. B. nach 30 Jahren im Einklang mit der Laufzeit des Vertrages sowie dem Renovationszyklus von Liegenschaften eine Gesamtsanierung durchgeführt werden.
Antworten zum Thema
Das vor Kurzem erschienene Handbuch Wohneigentum auf Zeit (siehe Box) beschreibt im Detail die Funktionsweise von Wohneigentum auf Zeit, die Vor- und Nachteile aus Sicht von Mietern, Wohneigentümern und Immobilieninvestoren und geht im Detail auf die rechtlichen, steuerrechtlichen und finanziellen Aspekte ein. Weiter wird dargelegt, wie die Immobilie zu jedem Zeitpunkt der Eigentumsdauer bewertet werden kann. Das ist gerade auch für einen vorzeitigen Verkauf wichtig. Auch die Investorensicht wird beleuchtet, einerseits aus der Perspektive einer Immobiliengesellschaft und andererseits aus Sicht einer Pensionskasse, für die Wohneigentum auf Zeit aufgrund der langfristigen Aussichten und der im Voraus festgelegten Zahlungsströme sehr interessant ist. Schliesslich wird nach der Betrachtung von Bewirtschaftungsaspekten darauf eingegangen, inwiefern sich Wohneigentum auf Zeit als Instrument zur Umsetzung des Verfassungsauftrages der Wohnbau- und Eigentumsförderung des Bundes eignet.
GABRIELLE WANZENRIED Haute Ecole d’Ingénierie et de Gestion du Canton de Vaud, Hochschule Westschweiz HES-SO
YVONNE SEILER ZIMMERMANN Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ, Hochschule Luzern