Wer ist die Schönste im ganzen Land? Der «Swiss Kitchen Award» gibt alle zwei Jahre Antworten auf diese Frage. Eine Fachjury sichtete diesen Sommer die zum Preis 2023 eingereichten Küchen – dieses Jahr waren es nicht weniger als 103 Eingaben – und nominierte acht Projekte für die Kategorie «Schönste Küche». Dazu kommen acht Nominierte in der Kategorie «Bester Küchenumbau». Das Publikum konnte vom 3. September bis zum 8. Oktober in beiden Kategorien für seine Favoriten stimmen. Am 16. November gibt die Jury bekannt, wem sie ihren Gold-Award zuspricht.
Der Preis wirkt als Seismograf aktueller Entwicklungen. Holz ist in der Galerie der diesjährigen Nominierten unübersehbar: Bei einer schönen Zahl von Projekten setzt das Material starke Akzente oder spielt sogar die Hauptrolle. Den Trend haben aber bereits die letzten Jahre vorgespurt. «Seit etwa 2019 sehen wir vermehrt Eingaben mit Holz», bestätigt Rainer Klein, Geschäftsleiter des Preisveranstalters Küche Schweiz, auf Anfrage. Der Branchenverband nimmt die Interessen der Schweizer Küchenspezialisten wahr.
Ein Fest für Schweizer Holz
Bei den Nominierten für die «schönste Küche 2023» sticht ein Projekt besonders ins Auge: «La Luna». Holz, soweit das Auge reicht: an den Fronten, aber ebenso an Boden und Decke, wenn auch mit Unterschieden – dazu gleich mehr. Das Schreinerei- Unternehmen Stuber Team aus Rotkreuz hat das Küchen-Bijou aus Schweizer Ulme – massive Riemen am Boden, feines, nur mit einem fast unsichtbaren Naturlack geschütztes Furnier an den Fronten, Massivholz bei Schubladen und Tablaren – realisiert.
Alles ordnet sich der naturhaften Erscheinung des gewählten Holzes unter. Selbst Ofen und Kaffeemaschine kamen in dieser Wohnung in einen Schrank; sie sollten nicht sichtbar sein. Nur die Abdeckung aus Edelstahl durchbricht das kleine Universum in Ulme, das im ganzen Haus eine Menge Pendants hat. Denn neben dem minimalistisch gestalteten Schmuckkästchen, das sich um den Küchen- Preis bewirbt, hat Stuber Team auch eine weitere Küche und alle Schränke im ganzen Haus in derselben Machart ausgeführt. «Innenausbau, Möbel und Küche sollen nach dem Willen der Bauherrschaft immer öfter aus einem Guss sein», erklärt Schreinermeister Gerd Stuber, Verwaltungsratspräsident der Firma. «Man will eine Handschrift spüren, nicht isolierte Einzelobjekte um sich haben.»
Die Einbettung in ein Gesamtkonzept geht beim Haus in Hünenberg, in das die Küche «La Luna» eingebaut wurde, aber noch weiter. Es ist ein Mehrgenerationenhaus, dessen obere Wohnung derzeit vermietet ist, während die Bauherrschaft die untere Wohnung belegt. Das ohne Leim und Metall verarbeitete Massivholz, aus dem Küng Holzbau aus Alpnach das Wohnhaus 2021 nach einem Entwurf der Chamer Barmettler Architekten errichtet hat, umfängt die Ulmen-Arbeiten mit wunderbaren Innenwänden in feinjähriger Fichte.
Mit der fast möbelartigen Erscheinung der Wände kontrastieren die Brettstapel, die mit dem kräftigen Bild ihres konstruktiven Aufbaus und sichtbaren Ästen die Decken prägen. Alles Holz für den Bau kam aus der Schweiz, bestätigt der junge Architekt Philipp Barmettler, dessen Erstling dieser Bau war. «Wir bekennen uns zu zeitgenössischem Bauen. Da gehört Ökologie einfach dazu. Umgelegt auf Holz bedeutet das für uns vor allem lokale Herkunft.»
Baubiologie reloaded
Das ist Wasser auf die Mühlen von Roger Lindauer. Der ausgebildete Schreiner und Baubiologe führt einen Schreinereibetrieb in Steinen. Regionale Materialien sind sein Credo – am liebsten verarbeitet er lokales Massivholz. Wohngesundheit und Rezyklierbarkeit sind ihm ein Anliegen: deshalb setzt er wenn immer möglich auf leimfreie Konstruktionen. Holz-Küchenfronten entstehen bei ihm nach einer eigens entwickelten und patentierten Klicktechnik, mit der sich die einzelnen, digital gefertigten Teile optisch perfekt und zugleich ökonomisch aneinanderfügen. Weitere ausgeklügelte, hochpräzise Holzverbindungen verbergen sich in der Konstruktion. Die Kundschaft honoriert Lindauers Einsatz für gelebte Ökologie: etwa bei der Hälfte aller Aufträge, die er fertigt, arbeitet Lindauer mittlerweile mit Massivholz und ohne Leim. Das ist auch bei seinen Küchen so.
Roger Lindauer ist nicht ganz unschuldig am sichtbaren Trend zu Holz beim «Swiss Kitchen Award». Dieses Jahr hat er zwar nichts für den «Kitchen Award» eingereicht. 2017 hat er aber mit seiner Kreation «Fusion» gleich doppelt abgeräumt: Er erhielt dafür den Gold Award der Jury wie auch des Publikums in der Kategorie «Schönste Küche».
«Fusion» verbindet mit hochwertiger Keramik und Massivholz eine puristische Linie aus Lindauers Designpalette mit der «grünen » Schiene seiner Produktion, die auf leimfreie Fertigung, regionales Holz und Recyclingglas setzt. Lindauer war zwar vom innovativen Design des monolithischen Kubus überzeugt, den er 2017 für den Preis eingab, jedoch alles andere als sicher hinsichtlich der Erfolgschancen seines Plädoyers für mehr Nachhaltigkeit. «Ich war darum voll von der Rolle, als der Gold-Award gleich im Doppelpack kam», sagt Lindauer. «Seither ist natürlich viel passiert. Heute ist Holz auch im Küchenbau salonfähig. Modern und doch mit Holz – das geht und ist breit akzeptiert.» Gehalten hat sich auch Lindauers Küche «Fusion»: Es gibt sie heute auch mit schwarzem Marmor und Braunkern-Esche oder mit einem Anstrich in angesagtem Mintgrün. Die Kanten und das Innere der Schränke und Schubladen bleiben in letzterer Variante naturbelassen. Die Farbe lässt sich bei einem Rück- oder Umbau mit dem Japanhobel restlos entfernen, so dass das natürliche Holz wieder zum Vorschein kommt.
Küche als Raumkonstruktion
Fläche und Kubus: Das sind die üblichen räumlichen Erscheinungsmerkmale einer Küche. Dass es mit Holz auch ganz anders geht, haben Julia Staubach und Max Putzmann vom Churer Architektenkollektiv Studio O 2020 zusammen mit dem ebenfalls in Chur ansässigen Möbelmacher Serge Borgmann beim Umbau einer Wohnung in der Altstadt des Bündner Hauptortes gezeigt.
Ein feingliedriges Holzgerüst aus geölter Eiche markiert die räumliche Ausdehnung der Küche wie eine greifbare Strichzeichnung. Das Auge kann der Konstruktion folgen, ohne an glatten Flächen abzuprallen. Die statisch ausgefeilte Struktur mit raffinierten Verbindungen, die oft nur gesteckt und mit kleinen Keilen fixiert sind, steht frei; sie ist nicht mit Boden oder Wänden verbunden. Tablare gliedern den konstruierten Raum in der Vertikalen. Kleine Querhölzer gleichen Bodenunebenheiten aus. Das Leichte trägt ohne Mühe das Schwere: die Küchenschränke und den massiven Marmorblock der Spüle mit Abtropfteil auf der einen Seite, die Arbeitsplatte auf der andern, beide handwerklich gefertigt von der Düsseldorfer Steinbildhauerin Anna Staudt.
Serge Borgmann, von dem das Design dieser spannenden Struktur stammt, nennt sein Konzept mit gehörigem Understatement schlicht «Gerüstbau». Man spürt darin seinen Hintergrund: Borgmann war Hochbauzeichner und in der Architektur tätig, bevor er sich mit dreissig Jahren das Schreinerhandwerk beibrachte, das er seither als Selbstständiger pflegt.
Auch dieser ungewöhnliche Ansatz überzeugte die Juroren des «Swiss Kitchen Award»: 2021 gab es dafür den Gold Award der Jury bei der «Schönsten Küche». Entdeckt und gewürdigt hat das filigrane Raumgitter aber auch die Jury des Prix Lignum 2021: In der Preisregion Ost erhielt es eine Anerkennung.